Veganuary: Horizonterweiterung für Querbeetesser


20. Januar 2021
Veganuary
Mission Veganuary – also vegan leben im Januar. Seit dem Start im Jahr 2014 haben weltweit bereits mehr als 500.000 Menschen mitgemacht. Jetzt laufen erstmals auch offizielle Kampagnen in den USA, Lateinamerika, Südafrika sowie Deutschland. Selbst einige Discounter machen mit und bieten eine immer größere Auswahl an veganen Produkten – mit beträchtlichem Verkaufserfolg, wie es heißt.

Viele Prominente machen es schon lange vor. „Seitdem ich 2008 beschloss, vegan zu leben, hat sich mein Leben nur zum Positiven verändert“, sagt Foodbloggerin und Erfolgsautorin Stina Spiegelberg, die sich auch als TV-Köchin und Referentin einen Namen gemacht hat. Wie die Pforzheimerin schwören immer mehr Menschen auf eine vegane Ernährung. Aus unterschiedlichen Gründen. Vielen geht es um Ethik und Tierwohl, sie verzichten nicht nur aufs „Kochen mit Knochen“, sondern auf alle tierischen Produkte in ihrem Leben. Honig gehört ebenso dazu wie Wein, der mit Gelatine geklärt wurde, Lederschuhe und Jeans mit Lederpatches sind ebenso tabu wie Wolle und Daunenkissen.

Für eine vegan Ernährung gibt es viele Gründe, nicht nur im Veganuary

Auch dem Umweltschutz wird Rechnung getragen: Dass eine fleischlose Ernährung klimaschonend ist, hat sich inzwischen bereits herumgesprochen. Andere beschließen aus gesundheitlichen Gründen, ihre Ernährung umzustellen. Oft spielt auch alles zusammen eine Rolle. Aber ist eine vegane Ernährung wirklich gesünder?

Der Arzt, Psychotherapeut, „Erfinder“ der Psychosomatik und Erfolgsautor Rüdiger Dahlke jedenfalls schwört darauf. Er habe schon viele Kranke nach einer Umstellung auf vegane Kost gesunden sehen, schreibt er in seinem Buch „Vegan für Einsteiger“ und: „Wer aufhört, die Angst mitzuessen, die aufgrund der Lebens- und Todesumstände im Fleisch der Tiere steckt, blüht bereits auf.“ So nennt er die vegane Ernährungsform denn auch „Peace Food“ – Essen für den Frieden. Umsteigern verspricht Dahlke beispielsweise verbesserte Blutfette, einen ausbalancierten Stoffwechsel, stärkere Immunfunktionen, mehr Energie, mehr Vitalität, mehr Lebenszeit, verbesserte Gehirnleistungen, eine intensivere Ausstrahlung, einen angenehmeren Körpergeruch, das Wohlfühlgewicht, „ein gutes Gewissen hinsichtlich unseres Planeten, weil man aktiv etwas dafür tut, und die Entfaltung und Blüte seines wahren Wesens“. Weitere Experten nennen eine positive Wirkung der tierfreien Ernährung auf Krankheiten wie Rheuma, Gicht und Diabetes.

Veganer sollten sich mit Nährstoffen auskennen, um Mangelerscheinungen zu vermeiden

Andererseits kann auch eine vegane Ernährung ungesund sein. Man denke an den Fernsehabend mit Kartoffelchips, Bier und Gin … Aber auch bei gesundheitsbewusster veganer Ernährung können Mangelerscheinungen drohen. Neuere britische Studien legen beispielsweise nahe, dass die Knochen von Veganern bei Unfällen leichter brechen als von Mischkostfans. Um Mangelerscheinungen zu vermeiden, wird auf jeden Fall eine Ergänzung mit Vitamin B12 empfohlen.

Ärztin Sigrid Steeb erklärt in ihrem Ratgeber-Kochbuch „Vegan. Gesund“ rät zum regelmäßigen Check-up beim Arzt. Für Veganerinnen und Veganer sei es unerlässlich, sich gut mit den möglicherweise kritischen Nährstoffen auszukennen und einige Regeln im Alltag zu verankern. Sie empfiehlt die vegane Ernährung als gesunde Alternative bei Beachtung dieser Aspekte. Gegen Eisenmangel helfe etwa der regelmäßige Verzehr von Zuckerrübensirup sowie von Gerichten mit Hirse, Quinoa und Amaranth. Auch Sonnenblumenkerne und Sesam könnten Eisenmangel vorbeugen. Als „pflanzliche Eiweißbomben“ listet sie Tofu, Lupine und Hülsenfrüchte. Gegen Kalziummangel solle man täglich mindestens einen Liter kalziumreiches Mineralwasser trinken und Sesam über Salat, Gemüse, Müsli zu streuen. Insgesamt sei auch die Bereitschaft wichtig, „querbeet“ zu essen, betont die Ärztin. (wig)

 

Weitere Themen, Tipps und Trends gibt es übrigens hier.

Vegane Ernährung:
Ein Selbstversuch

Richard Gere tut es, Bill Clinton schwört drauf, und was für Natalie Portman und Anne Hathaway gut ist, kann für mich doch nicht schlecht sein. Schnell ist die passende vorbereitende Lektüre, darunter Ratgeber und einschlägige Kochbücher, angeschafft, und es kann losgehen mit der Umstellung auf die vegane Ernährung. Tatsächlich stellt sich schnell eine Art Euphorie ein: Neue Rezepte und Gemüsesorten auszuprobieren macht Laune. Und wer gerne Zeit in der Küche verbringt, wird schnell feststellen, dass es Veganern wirklich an nichts mangeln muss.

Nach einer Phase der Begeisterung stellt sich aber auch Ernüchterung ein. Erste Fallstricke für die guten Vorsätze äußern sich in Form von Essenseinladungen bei Freunden. Nein, eine Religion aus der Ernährungsform machen, das will ich jetzt wirklich nicht. Und vegane „Extra-nicht-Würstchen“ muss mir auch niemand braten. Also werde ich schon bald zum Flexitarier, der ab und zu eine Ausnahme macht. Und dann kommt die echte Krise: Die Sehnsucht nach dem Altgewohnten stellt sich ein. Dass der Ehegatte sich buchstäblich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt, macht es nicht einfacher.
Schließlich kapituliere ich.

Allerdings nicht ganz. Immerhin ernähre ich mich inzwischen weit bewusster, Fleisch kommt selten auf den Tisch und wenn, dann aus artgerechter Tierhaltung. Das kann zwar das schlechte Gewissen nicht ganz ausschalten, aber es hilft. Ein paar Lieblingsrezepte habe ich mir obendrein bewahrt: neben der Linsenbolognese etwa Tofuburger mit Pilzen und eine selbst gemachte, extrem leckere Schokocreme mit Nussnugat, Mandeldrink, Margarine und dunkler Schokolade (ganz ohne umweltschädliches Palmöl). Den Haferdrink im Kaffee mag ich inzwischen sogar lieber als Milch. (wig)