Sie sind kurz, lang, breit, dünn, gelocht, rund, gestreift, rau oder glatt. Doch eines haben Nudeln alle gemeinsam: Wenn ihr Duft durch das Haus zieht, läuft allen das Wasser im Mund zusammen. In der Heimat der Dolce Vita sind Nudelsorten genauso bunt und vielfältig wie das Volk selbst.
Die über drei Millionen Tonnen Pasta, die jährlich in Italien hergestellt werden, präsentieren sich nämlich in mehr als dreihundert verschiedenen Formen. Wenn man dann noch daran denkt, wie viele unterschiedliche Soßen zur Verfügung stehen, wird einem bei der ganzen Vielfalt fast schwindelig! Und obwohl Essen keine präzise Wissenschaft ist, würde sich kein guter Italiener die Chance entgehen lassen, mit mathematischer Genauigkeit zu erklären, welche Pasta-Form zu welcher Soße passt. Manche Kombinationen verstehen sich quasi von selbst, denn sie sind das Vermächtnis uralter Traditionen, wie frische Trofie mit Basilikum-Pesto oder Spaghetti mit Aglio, Olio und Peperoncino. Bei anderen Soße-Nudel-Verhältnissen handelt es sich eher um offene Beziehungen. Ein Beispiel ist etwa die weltberühmte Carbonara, die eigentlich mit bissfest gekochten Spaghetti liiert ist, sich aber auch eine Affäre mit gestreiften Rigatoni vorstellen kann. Genuss-Experten kombinieren alles, was aus dem Meer kommt, mit glatten Pasta-Exemplaren. Dickflüssigere Soßen, wie „Ragù“, gehen nur mit Nudeln in gestreifter oder breiter Fasson zusammen. Sommerliche oder kalte „Sughi“-Soße schmeckt in Begleitung von Farfalle tatsächlich so leicht, als könnte sie gleich vom Teller fliegen. Gnocchi sorgen für höchsten Genuss mit cremigen, käsereichen Dekorationen und Tortelloni oder Ravioli, naja, sie tragen das Wichtigste schon in sich.
Pasta hat in Italien fast einen religiösen Stellenwert
Viel wichtiger als die möglichen Kombinationen sind jedoch die Geschichten, die jeder Italiener mit den verschiedenen Nudelvarianten verbindet. Zum Beispiel an einem Sonntagmorgen in Bologna aufwachen, in die Küche schleichen und die Mamma erwischen, die seit Sonnenaufgang handgemachte Tagliatelle und köstliches „Ragù“ zubereitet. Oder die familiäre Lautstärke am Weihnachtstisch in Neapel, die aber rasch wieder leiser wird, wenn ein duftender Topf voller Paccheri mit Meeresfrüchten serviert wird. Oder auch die Konzentration, mit der die apulische Nonna ihre unschlagbaren Sagne Ricce im wortwörtlichen Sinne strickt, während saftige Frikadellen in Tomatensoße köcheln. Die Liebe zu Nudeln kennt auch in unserer schönen Ecke Deutschlands keine Grenzen. Ludwigshafen hielt sogar einige Jahre lang den kuriosen Rekord für die längste Nudel der Welt. Diese wurde in Handarbeit hergestellt und erreichte eine Länge von über tausend Metern. Und obwohl vielleicht in Deutschland nicht immer die passendste Nudelsorte zur richtigen Soße ausgewählt wird und Italiener oft bei der Zubereitung von Nudeln im Ausland skeptisch sind, wissen auch die stolzesten Bewohner des Stiefellandes, dass der heilige Duft der Pastasciutta kulturelle Brücken baut und Völker vereint, wie es sonst nur die Diplomatie vermag. Denn Geschmäcker gibt es auf der Welt fast genauso viele wie Nudelsorten, aber bei einer üppigen Portion Pasta zählt nur eines: dass sie schmeckt!
Diese und viele weitere Trends sind immer wieder ein Thema im Gastroguide espresso.
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