Vertical Farming im Kleinen: Mini-Gewächshaus in der Wohnung


16. Februar 2022
Vertical Farming

Kräuter verleihen Gerichten oft den letzten Schliff, den besonderen Dreh. Blattgemüse wie Feldsalat, Chicorée und Endivie sorgen für knackige Frische als Vorspeise, Entree oder Beilage. Dabei macht sich kaum jemand Gedanken, dass etwa für den Anbau eines Kilogramms Salat 240 Liter Wasser und meist viel Dünger nötig sind. Und dann ist das knackige Grün noch nicht auf dem Teller. Dieser Salatkopf ist zunächst durchschnittlich 1000 Kilometer unterwegs, bevor er im Supermarkt bereitliegt. Hinzu kommen der Energieaufwand für das Kühlen und die Plastikverpackungen, die dann recycelt werden müssen. Vom ökologischen Standpunkt ist diese Bilanz also durchaus verbesserungswürdig. Das ist der Ansatz eines neuen Trends namens Vertical Farming.

Vertical Farms bauen stapelweise Pflanzen an

Konzipiert für Großstädte und Ballungsgebiete, in denen es keine Anbauflächen gibt, pflanzt man platzsparend in die Höhe, also übereinander. Dabei wird das Grün in einem geschlossenen System unter kontrollierten Bedingungen – hydroponisch – angebaut. Statt Erde wird ein biologisch abbaubares Substrat genutzt, in dem die Wurzeln in einer Nährlösung hängen. Als Zukunftsentwurf einer urbanen Landwirtschaft steht diese Anbauweise der traditionellen entgegen. Die Befürworter heben dabei hervor, dass der Lebensmittelbedarf einer steigenden Weltbevölkerung nur so gedeckt werden kann, dass weitaus weniger Wasser nötig ist und sich die ausgelaugten Böden regenerieren können. Zudem kann ganzjährig angebaut werden und verkürzen sich die Transportwege enorm. Aber natürlich ist nichts umsonst: Es entstehen Energiekosten für Pflanzung, Beleuchtung und Bewässerung sowie Steuerung und Ernte, betonen Kritiker. Der Verbraucher profitiert insofern, dass keine Pestizide nötig sind, dass die Nitratwerte durch den verwendeten Biodünger niedriger sind als üblich und das Bakterium E. coli nicht auftritt.

In Asien und in den USA ist Vertical Farming schon keine reine Zukunftsmusik mehr. Europa praktiziert nach diversen Pilotprojekten, die nicht erfolgreich waren, am Stadtrand Kopenhagens seit 2021 eine der weltweit größten Vertical Farms. In den dänischen Agrarfabrik Nordic Harvest werden also auf 14 Ebenen à 7000 Quadratmetern Fläche Kräuter und Salate angebaut. Es wird 15 Mal im Jahr geerntet und zwar in diesem Jahr sind erstmalig 1000 Tonnen Kräuter und Gemüse anvisiert.

 

Benjamin Peifer baut vertikal an: Im Izakaya hat er ein Mini-Gewächshaus. (Foto: Agrilution)

Ökologisch und frisch aus der Küche

Das Konzept gibt es mittlerweile auch im Kleinen, für den Endverbraucher zu Hause. Auf dem Markt sind vollautomatisierte Gewächsschränke erhältlich, die Licht, Klima und Bewässerung selbstständig steuern. Auch hier liegt der Vorteil liegt darin, dass die Pflanzen darin mit viel weniger Wasser und Dünger auskommen, und Pestizide überflüssig sind. Der Heimanbau macht aber nicht nur in Großstädten Sinn. Denn ein weiterer Pluspunkt besteht darin, dass Kräuter und Blattgemüse direkt vor Ort, also in der Küche, angebaut werden, wo sie verwendet werden. Damit sind sie nicht nur frisch, es entfällt auch jeglicher CO2-Fußabdruck für den Transport.

Bio-Qualität und Aromaintensivierung

So sieht es auch Benjamin Peifer, Sternekoch und Inhaber The Izakaya in Wachenheim, der dort ein Gewächshaus von Agrilution von der Größe eines Mini-Kühlschranks im Einsatz hat. Für seine Fusionsküche aus japanischen Aromen und pfälzischen Zutaten benötigt er frische Kräuter und Microgreens, also Keimlinge. „Um Microgreens zu bekommen, war ich jedes Mal gezwungen, bis nach Mannheim zu fahren. Und das jede Woche, weil Kräuter ja nicht ewig frisch bleiben. Das war unfassbar zeitaufwändig“, berichtet der gebürtige Speyerer. Die beiden wichtigsten Kräuter in seiner Sterneküche sind Koriander und Brunnenkresse. Diese baut er inzwischen selbst an, und zwar vertikal in zwei Ebenen des Gewächshauses gestapelt.

Schnelleres Wachstum

Im Vergleich zum beliebten Kräutertopf haben die Pflänzchen aus dem wohl temperierten Schränkchen den Kopf vorn: Durch die optimalen Wachstumsbedingungen sind die Pflanzen besonders reich an Nährstoffen mit einem durchschnittlich 30 Prozent höheren Anteil an Antioxidantien, Spurenelementen und Vitaminen, so der Hersteller Agrilution. Und der Aroma sei kräftiger. Peifer formuliert es so: „Die Kräuter schmecken definitiv sehr viel intensiver und aromatischer als reguläre Kräuter.“ Fakt ist, dass Blutampfer, Wasabina, Basilikum, Koriander, Thymian, Zitronenmelisse und viele weitere Vertreter ihrer Kategorie im klimatisierten Schrank viel schneller wachsen.

Mit seiner Firma will Agrilution-Co-Gründer Maximilian Lössl auf die Nachteile der konventionellen Landwirtschaft hinweisen und einen Lösungsansatz anbieten: „Unsere Generation kann erstmals technologische Möglichkeiten nutzen, um so viel mehr über Pflanzen, ihr Wachstum und ihre Bedürfnisse zu lernen. Diese Erkenntnisse sind es, mit denen wir langfristig die Ernährung der Welt gesünder und effizienter machen werden.“ Es ist eine Revolution im Kleinen, die jedoch ein Statement setzt. (hani)

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Eine der Kreationen von Benjamin Peifer, bei denen frische Kräuter den krönenden Abschluss bilden. (Foto: Agrilution)

Rezepttipp von Sternekoch Benjamin Peifer:

Marshmallowfluff

Zutaten für die Creme:
200g Glukose
180g Zucker
120g Ingwerwasser
4 Eiweiß
1 El Weinstein
1 El Stärke

Zubereitung:
Glukose, Zucker und Ingwerwasser auf 112 Grad Celsius kochen, das ergibt einen Sirup. Eiweiß und Weinstein anschlagen, kurz vor 112 Grad Celsius steif schlagen. Sirup einlaufen lassen. Mindestens 15 min schlagen. Stärke untermengen.

Zutaten für Zitrusfruchtsorbet:
1 kg Saftorangen
1 kg Mandarinen
2 Zitronen
1 Limone
2 Grapefruit
400g Gelierzucker
Prise Salz
200g Joghurt

Zubereitung:
Von je einer Frucht etwas Schale abreiben, Früchte auspressen, mit Gelierzucker 4 Minuten kochen, runterkühlen. Joghurt und Schalen einrühren. In der Eismaschine gefrieren.

Weitere Zutaten:
Yuzumarmelade, Gin, Koriander

Zuerst einen Löffel der Marmelade in einen Becher geben, darauf die Creme, dann das Sorbet. Das Ganze mit Gin beträufeln, mit einem Blatt der Korianderkresse toppen. Der intensive Koriandergeschmack verleiht diesem Dessert die besondere Note. Die Mischung aus süß, fruchtig und Kräuter macht das Geschmackserlebnis. (red)

Beliebt in der Peiferschen Küche: Koriander. (Foto: Andrey Starostin/stock.adobe.com)